Bis Ende Oktober 2019 gehörten die chinesischen Kräuter zu meiner Lieblingstherapie. Allerdings auch erst seitdem ich mir die Rezepturen selbst zusammenstellte. Die Berg- und Talfahrten der Rezepturen anderer Therapeuten waren nicht akzeptabel. Nach dem Sommerurlaub feierte ich einen nächsten Kräuterhexenerfolg: nach fünf Jahren bekam ich einen Infekt, der mit viel Schnupfen daherkam. Ich hielt die strengen Anweisungen der TCM ein, wie ich mich beim Infekt zu verhalten hatte, schließlich war das endlich eine tolle Chance über den Schleim der Nase ein paar Altlasten loszuwerden. Und ich schnupfte eine große Packung Taschentücher voll, die ich alle stolz sammelte und dann in einer Art Ritual in unserer Feuerschale verbrannte. Nach dem Infekt gings mir deutlich besser. Und endlich kam danach nicht mehr der tiefe Fall ins CFS-Symptomspektakel. Es hatte in mir etwas verändert und ich war sehr glücklich darüber. Wieder eine kleine Stufe heraufgeklettert bei meinem Weg heraus aus dem Maulwurfsloch….Aber der in mir stark wachsende Wunsch auch mental mehr zu arbeiten ließ mich nicht los, denn ich merkte, wie sensibel mich die Krankheit gemacht hatte und wie oft ich mich trotzdem wegen der Symptome sorgte. Auch empfand ich meine Reflexe auf die Tätigkeiten von denen ich wusste, dass sie entweder sehr anstrengend oder überhaupt nicht möglich waren, für überzogen. Ich wollte von diesem Zeitpunkt an dort genauer hinschauen. Das Buch von Kurt Tepperwein „Kraftquelle Mentaltraining“ stand schon lange in meinem Regal. Buchlesen war immer noch sehr anstrengend aber ich nahm mir vor diesem Buch auf den Grund zu gehen. Es war mir völlig egal, wie lange ich brauchen würde, um das Buch durchzulesen. Ich wollte es und wenn ich jeden Tag nur einen einzigen Satz lesen würde. Genauso ging ich vor. Manchmal musste ich diesen einzigen Satz auch mehrmals lesen, damit ich ihn verstand. Aber je mehr ich las, desto mehr fesselte es mich. Mein Bauchgefühl sendete mir ein sehr stimmiges Signal und das Weiterlesen wurde zunehmend leichter. Ganz besonders die Technik der lebendigen Zielvisualisierung eignete ich mir an und praktizierte zunehmend mehr von den im Buch beschriebenen Techniken. Das fing an mir richtig Spaß zu machen. Endlich eine Aktion die ich machen konnte, von der ich nicht schwach wurde! Es war schnell für mich klar, dass ich da auf einen ganz entscheidenden Weg gestoßen war. Durch das Mentaltraining veränderte sich meine Stimmung, meine Motivation und meine Gedanken, wie ich es vorher nur nach der Einnahme der chinesischen Arzneidrogen kennengelernt hatte. Ich wusste, dass sie großen Einfluss auf das Zentralnervensystem haben und dort über die Harmonisierung der Organfunktionen auch ein emotionales Gleichgewicht schafften. Jetzt konnte ich das in Ansätzen selbst aktiv herstellen, ohne Einfluss von außen. Das war ein unglaublicher Moment das zu spüren. Zum ersten Mal seit Jahren merkte ich, dass ich Einfluss habe, dass es eben doch Methoden und Möglichkeiten gibt ganz allein aus eigener Kraft – ohne Wunderpille – mir meinen Körper zurück zu erobern. Ich empfand das Mentaltraining als sehr kraftvoll und vernachlässigte darüber das Erstellen der nächsten Kräuterrezepturen. So probierte ich mich im Weglassen der Arzneimitteldekokte und intensivierte dann meine mentale Arbeit. Es war wirklich Arbeit! Ich hatte das Gefühl ich muss ein sehr wachsames Auge auf alles haben, was da in mir drin vorging. Schaute ich weg und passte nicht auf, passierte das was Eltern passiert, wenn sie ihre Kinder mit ihren Freunden zu lang allein zu Hause ließen. Das blanke Chaos. So musste ich mich bemühen ständig „online“ zu sein. Ich wollte unbedingt wieder der alleinige Herrscher meines Königreichs Körper werden. Im Moment noch machte der Hofstaat was er wollte, alles ging noch drunter und drüber. Aber sobald ich online war und extrem streng auch aktiv entschied welche Gedanken ich denken wollte und welche nicht, stellten sich große Erfolge ein. Ich experimentierte viel und probierte dies und jenes. Und somit erlangte ich in meiner Vorstellung eine Gesundheit, wie ich sie schon lange nicht mehr empfand. Ja, zunächst fühlte ich mich lediglich in meiner Vorstellung deutlich besser, körperlich war da noch viel Chaos. Aber ich vertraute voll und ganz Tepperweins Aussage, dass der Körper dem mentalen Zustand eines Tages folgen würde.
Ende des Jahres 2019 intensivierte ich meine Zielvisualisierungen so stark, dass ich immer öfter in eine Art Flowzustand hineinkam. Herrlich war das! In meinen Tagträumen fuhr ich wieder Fahrrad, ging mit meinem Mann wandern, fuhr Skiroller auf dem Elberadweg. Das war ein Spaß! Und mit dem berauschendem Gefühl tiefer Dankbarkeit und Freude darüber, dass das alles wieder möglich war, auch wenn nur in Gedanken. Aber auch die kleinen Dinge stellte ich mir nach meiner Wunschvorstellung zusammen: ich visualisierte zum Beispiel das Einkaufen im Supermarkt, was für mich immer noch schwierig und sehr kräftezehrend war. Ich stellte mir vor wie ich leicht und frei alle Lebensmittel in aller Ruhe in meinen Einkaufswagen sammelte und wie stark ich mich fühlte, als ich an der Kasse stand und wartete. Ohne Symptome, das war so ein tolles Gefühl! Ich spielte irgendwann ständig diese Filme ab obwohl ich trotzdem im Jetzt sehr aktiv drauf aufpasste, dass mein Unterbewusstsein mir nicht wieder plötzlich einreden wollte, ich würde mich in einer lebensbedrohlichen Situation befinden. Kam solch ein Gedanke oder nur ein Hauch von solch einem Gefühl auf, stellte ich das sofort relativierend in Frage und beruhigte mein überaktives Unterbewusstsein.
Neben Kochen, QiGong, Atemübungen, Selbstmassage und dem Mentaltraining in all seinen Facetten war ich den ganzen lieben langen Tag beschäftigt. Ich musste aktiv Pausen einbauen, wie bei einem Job.
Aber ich liebte diese meine neue Arbeit. Es machte mir immer mehr Spaß. Diese Arbeit nur mit mir selbst. Eine andere Möglichkeit gab es nicht: wenn ich vollständig gesund werden wollte, musste ich mich der Genesung auch vollständig hingeben. Und folgendes Phänomen kannte ich schon: wenn ich nachlässig wurde oder mich mit völlig anderen Dingen beschäftigte, stagnierte mein Zustand und verschlechterte sich dann auch zunehmends. Blieb ich dran wie ein Krieger, dann gings vorwärts.
Solch ein Paradoxon: Eine Krankheit, in der man zu Passivität gezwungen wird besiegt man, wenn man selbst aktiv wird…..