30. Die Zeit der unpassenden Kräuter

Nach meinem Infekt im März 2017 probierten wir, also mein Ambulanzarzt aus der Klinik und ich, jede Menge fertige Rezepturen aus. Mal passte er dort noch zusätzlich etwas an, mal da. Aber irgendwie ging es nicht vorwärts und ich fühlte mich elend. Also natürlich nicht mehr so elend wie ohne Behandlung. Aber ich wollte doch so gern, dass es weiterhin kontinuierlich besser wird. Und der Frühling und Sommer stand vor der Tür. Eigentlich scharrte ich gedanklich mit den „Hufen“ und wollte endlich aus meiner Startbox herausgaloppieren. Aber das Tor in die Freiheit wollte einfach nicht aufgehen. So war ich durch die Schwäche geistig wie körperlich doch sehr eng an die Wohnung gefesselt. Ich schaffte schon den Einkauf und etwas Hausarbeit aber alles gerade so. Noch dazu kam das immer mal wieder auftretende Infektgefühl. Aber es war eben immer nur ein kleines Gefühl, nichts Halbes und erst recht nichts Ganzes. In der Zeit lernte ich natürlich unwahrscheinlich viele Kräuter kennen und ich konnte sie am eigenen Leib erspüren. Ich notierte mir alles und probierte die nächste Rezeptur. Es hatten sich schon ein paar Dinge geändert, die ich auch an meiner Zunge sah. Ich beschäftigte mich selbst hin und wieder mit der chinesischen Zungendiagnose und beobachtete, wie die Rezepturen auch das Erscheinungsbild meiner Zunge veränderten. So war sie anfangs besonders vorn und an den Seiten sehr rot. Dieses Rot war komplett verschwunden und einer sehr kreidebleichen Leichenblässe gewichen. Und die Zahneindrücke waren immer noch da. Hm. So war das leider einer der Sommer, in denen es mir nicht möglich war in den Urlaub zu fahren. Alles war zu kompliziert, schon die Fahrt allein hätte mich geschafft und mit meiner Esserei war alles sehr kompliziert und ich hätte nirgendwo im Restaurant geeignetes Essen finden können. So bedeutete es für mich weniger Stress einfach zu Hause zu bleiben. Das war aber sehr hart für mich, weil ich so starke Lust hatte in die weite Welt hinaus zu gehen. Als gegen Ende der Urlaubszeit noch von Freunden und Bekannten Postkarten mit Traumansichten bei mir einflatterten, war ich sehr resigniert und traurig, dass mir das verwehrt wurde.

Als sich bis Ende Juli nicht so wirklich etwas in Sachen Kraftzuwachs tat, traute ich mich dann auch mal selbst einen Vorschlag für eine mögliche Veränderung der Kräuterrezeptur zu machen. Mein Ambulanzarzt machte mir alles möglich und fand es sogar gut, wenn ich aktiv mithalf. So mischte ich mich immer mehr ein und wir wurden ein gutes Team. Zwischendurch war ich ca. aller 8 Wochen in der Klinik zum ambulanten Termin. Ich wurde von meinem Arzt wieder live gesehen und er konnte in Puls und Zunge sehen, wie es mir gerade ging. Als Abschluss gab es immer noch eine Akupunktur von ihm. Die war immer super. Ich hatte schon viele Akupunkturen bekommen aber von ihm und von der „echten Chinesin“ Frau San, spürte ich eine sehr starke Wirkung. Bei allen anderen war wenig bis gar nichts zu spüren.

Wieder zu Hause kam mir der Gedanke, dass ich nun nicht mehr alles nur selbst bezahlen möchte, wie wäre es, wenn die Krankenkasse auch einmal etwas übernimmt? So stellte ich schon im Mai 2017 einen Antrag auf Einzelfallprüfung mit der Bitte um einen weiteren stationären Aufenthalt in der Oase. Ich machte mir nicht viel Hoffnung, die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen keine Privatklinik. Aber es wäre zu schön gewesen noch einmal so intensiv therapiert zu werden, das hatte einen schnellen und großen Fortschritt gebracht. Und es stellte sich ja nun zunehmend als schwierig heraus per Telefonberatung eine Rezeptur zu finden, die mich wirklich richtig weiter brachte. Für die Bearbeitung dieses Antrages wurden noch einige Gutachten verlangt. Ich sollte zum medizinischen Dienst, ich sollte noch einen aktuellen Befundbericht meines Arztes aus der Klinik und ein psychiatrisches Gutachten vorlegen. Das alles brauchte wieder viel Zeit. Termine ausmachen und auf die geschriebenen Gutachten warten. Es sollte also noch viel Zeit vergehen, bis ich eine Antwort auf meinen Antrag erhielt.

Durch die nicht so ganz passenden Rezepturen blieb zwar meine Verdauung auf dem erreichten niedrigen Level relativ stabil auch andere Symptome waren sehr gedämpft aber ich hatte wieder viel öfter Kopfschmerzen und fühlte mich extrem schwach. Es gab Vormittage, da konnte ich nur herumliegen und war zu nichts zu gebrauchen. Das war direkt nach dem Klinikaufenthalt viel besser und es war sehr kräftezehrend nach einer guten Entwicklung immer wieder solch einen Rückschritt hinnehmen zu müssen. Dieses Auf bei dem ich mich des Lebens freute: „Endlich wird es besser!“ Und dann wieder ein Ab wobei das Vertrauen in die neue Besserung gleich wieder zerstört wurde. Und es hing so stark mit den Kräutern zusammen. Als ich mich immer mehr traute mich in die Rezepturerstellung einzumischen – das war ab August 2017, als ich diese nervige Schwäche einfach nicht mehr aushielt – wurde es wirklich allmählich besser. Endlich hatte ich etwas mehr Kraft. Zwar wurden auch die unschönen Symptome wie z.B. Unruhe und panikartiger Durst wieder stärker und ich schlief wieder etwas schlechter aber dieses absolute ans Sofa gefesselt sein war auch nicht auszuhalten. So bekam ich etwas mehr Mut mich weiterhin in meine Rezepturen einzumischen und mein Ambulanzarzt unterstützte mich weiterhin sehr. Durch diese Herangehensweise konnte ich dann bis November 2017 meinen Zustand doch immer attraktiver machen und es ging mir im November deutlich besser, ich war motiviert, hatte mehr Kraft und war zuversichtlich, dass sich das ganze System weiter so entwickeln würde. Ich sehnte mich so sehr danach bei meinem Orchesterdirektor anzurufen und zu sagen: „Ich bin gesund, ich komme wieder!“ Aber leider war es zu solch einer kontinuierlichen Besserung, auf die man sich wirklich verlassen konnte, noch nicht gekommen.

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