Meine Kräutermedizin war zwar irre eklig aber sie hatte eine entspannende und verdauungsfördernde Wirkung. Ich wurde ruhiger, grübelte nicht mehr so viel und versuchte mich so gut es ging zu ernähren. Immer mehr Lebensmittel wurden von mir in verträglich und unverträglich einsortiert und das half auch die schlimmsten Symptome zu mildern. Komisch, dass diese Unverträglichkeiten so plötzlich eintraten. Vor Tag X konnte ich alles essen ohne, dass ich irgendwelche Nachteile davon spürte. Auf einmal war alles anders.
In der letzten Woche vor Weihnachten hatte ich keine Atemnot mehr und konnte zwar unruhig aber ohne schreckliche Träume und langes Wachliegen endlich besser schlafen. Meine Verdauung war zwar schlecht aber auf einem gleichbleibenden Niveau und ich nahm nicht mehr weiter ab. Das waren alles kleinste Entwicklungen, die mich sehr hoffnungsvoll werden ließen. So konnte ich mich nun auch kurz vor Weihnachten mental etwas entspannen. Ich hatte nicht mehr das Gefühl völlig im Dunkeln zu tappen und mein chinesischer Kräutertee half merklich den Abfall in mir drin zu reduzieren. Kurz vor den Feiertagen war ich noch einmal bei Herrn Samuelson und er veränderte die Rezeptur wieder ein wenig. Er schien aber mit der Entwicklung ganz zufrieden zu sein. Außerdem ermahnte er mich, ich solle alles was ich zu mir nehme nur gekocht essen oder trinken und bei windigem Wetter nicht hinaus gehen. Warum und wieso wollte ich natürlich wissen und er antwortete nur sehr kurz darauf, dass das Wartezimmer voll säße und er nicht bei jedem alles erklären könne, ich solle einfach vertrauen. Da war ich schon ganzschön durcheinander. Das war nicht die feine Art und Weise, die ich mir erhoffte. Ich wusste nichts über die chinesische Medizin und ich wollte wenigstens wissen, warum ich etwas tun oder nicht tun sollte. Das hatte auch zur Folge, dass ich bei meiner Ernährung zu Hause auch weiterhin viel Rohkost zu mir nahm, um so gut wie möglich die darin enthaltenen Nährstoffe zu erhalten. Und das Hinausgehen bei rauhem Wetter regelte sich ganz von allein dadurch, dass mir bei nasskaltem Wetter wirklich nicht nach Spazierengehen war und ich ohnehin zu schwach war. Ich lief lediglich wenn mein Mann abends da war und er keinen Abenddienst hatte mit ihm eine kleine Runde zur Nachbarstraße und wieder zurück. Da wir im vierten Stock wohnten, musste ich mir mein Tempo immer sehr gut einteilen. Es war für mich wirklich sehr schwer zu akzeptieren, dass ich jetzt die Kondition einer gebrechlichen 90-jährigen Oma hatte und es sich so anfühlte, als würde sich das so schnell auch nicht mehr ändern.
Am Heilig Abend war ich zwar sehr schwach und wir konnten nicht wie sonst immer in die Kirche gehen aber in mir drin war nicht mehr so ein Aufruhr, alles war etwas zur Ruhe gekommen und so war es trotz der Umstände ein schönes Weihnachten.
Durch die Behandlung mit den Kräutertees hatte ich wieder etwas Mut bekommen. Auch wenn ich mich durch die Art des Heilpraktikers nicht besonders wohl in seiner Praxis fühlte, so war ich trotzdem in einer Therapie, die zwar extrem langsam nur kleine Fortschritte zeigte aber den Prozess, den ich vorher hatte aufhielt und sogar wieder kleine Besserungen brachte. Mit so einer diffusen Krankheit wird man ganz schnell sehr bescheiden und ich freute mich damals über minimalste Fortschritte. Dass ich besser schlafen konnte und keine Atemnot mehr hatte war schon ein großes Weihnachtsgeschenk für mich.