Ende Oktober und November 2014
Mein Montag früh begann gleich mit einem Besuch bei meiner Hausärztin. Mein Mann musste mich hinbringen, ich dachte jeden Moment ich würde einen Kreislaufkollaps erleiden. Selbst auf dem Stuhl im Wartezimmer dachte ich mein Kreislauf versagt. Auch war mir alles zuviel, die anderen Patienten, das helle Licht, die vielen Geräusche, das Warten und Sitzen. Ich wollte viel lieber einfach nur zu Hause sein und mich unter meiner dicken Sofadecke verkriechen und ausruhen. So eine bleierne Schwere und Abgeschlagenheit! Außerdem hatte ich ein seltsames Gefühl wie beim Beginn einer schweren Grippe. Treppe laufen ging überhaupt nicht. Meine sonst so gute Kondition war plötzlich völlig verschwunden. Leichte Benommenheit überkam mich, als ich dort bei meiner Ärztin im Wartezimmer saß, als ob Nebel im Wartezimmer stand. Schließlich berichtete ich ihr was gestern passiert war und dass ich mich heute so stark nach Grippe fühlte, obwohl ich nur meine verstopfte Nase, die ich ja vorher schon hatte vorzeigen konnte. Sie schrieb mich für eine Woche krank, dass ich meinen Infekt auskurieren konnte. So froh war ich, als ich die Praxis wieder verlassen konnte und mich mein Mann nach Hause brachte, wo ich endlich Ruhe fand.
Aber die Ruhe die ich äußerlich fand war in meinem Körper nicht zu finden. In mir drin war die Hölle los. Als würde eine Horde Bulldozer durch meinen Körper fahren. Schließlich ließ meine Verdauungskraft immer mehr nach und ich vertrug immer weniger Speisen bis ich kaum noch wusste was ich essen konnte, dass es mir nicht schlecht geht. Herzstolpern und Atemnot kam dazu, obwohl ich mich nicht belastete. Mein Mann musste mir inzwischen schon das Essen machen, so schwach war ich geworden. Ich musste mich allein vom Zähneputzen eine dreiviertel Stunde erholen und lag danach nach Luft japsend und mit Herzrasen in meinem Bett und wusste nicht wie mir geschah. Dieser Zustand wurde bis zum Wochenende nicht besser und durch das Herzrasen und die extreme körperliche Schwäche hatte ich Angst bekommen, dass ich mir durch meinen verschleppten Infekt vielleicht eine Herzmuskelentzündung eingefangen haben könnte. Mein Mann und ich beschlossen in die Bereitschaftspraxis der Uniklinik zu fahren, um das abklären zu lassen. Ich wollte auch wissen, was mit mir ist. Solch starke Symptome, das muss doch irgendeinen Namen haben! Ich musste gleich stationär das ganze Wochenende im Krankenhaus verbringen, da man mich länger unter Beobachtung haben wollte. Ich war aber froh, denn danach würde man mir ja bestimmt sagen können, woran ich litt. Man brachte mich in ein Zimmer, wo schon zwei andere Patientinnen lagen. Ich wollte nur liegen und mich ausruhen. Mir war so kalt. Eine Schwester brachte mir noch eine zweite Bettdecke. Ich fror weiter. Das Blutabnehmen war eine langwierige Prozedur. Die Schwester schaffte es nicht mit vier Stechversuchen. Sie war dann zu nervös geworden, entschuldigte sich immer wieder und bestellte einen Arzt. Auch er hatte so seine Probleme. Nach dem dritten gescheiterten Versuch sagte er scherzhaft zu mir: „Man bekommt einfach kein Blut von Ihnen. Dabei bin ich mir sicher, dass Sie da irgendwo welches haben müssten!?“ Beim vierten Versuch klappte es schließlich. Er machte auch gleich noch die Ultraschalluntersuchung an meinem Herzen und konnte gleich Entwarnung geben, worauf ich sehr erleichtert war. Für meine extreme Schwäche hatte er aber in dem Moment auch noch keine Erklärung und wollte auf die Blutwerte warten. Die kamen dann am nächsten Morgen. Erhöhte Leberwerte und eine pathogene Lymphozytenanzahl waren alles, was gefunden wurde. Der Stationsarzt meinte daraufhin, dass ich mir einen mächtigen Virus eingefangen hätte und dass ich bestimmt mindestens vier Wochen brauchen würde, um das auszukurieren. Er würde mich jetzt so nach Hause lassen. Ich war erleichtert. Die eine Nacht im Krankenhaus war schrecklich. Jede Stunde einmal landete der Rettungshelicopter auf dem Klinikdach direkt über uns. Die Sauerstoffmaschine meiner Nachbarin ratterte die ganze Nacht. Obwohl ich Ohrenstöpsel dabei hatte konnte ich kaum schlafen. Das Frühstück erbat ich mir ans Bett, ich war so schwach. Aber die Schwester war eine Kratzbürste in Person: „Warum gehen Sie nach Hause, wenn Sie so schwach sind? Wer nach Hause will, isst am Tisch!“ Sie knallte das Tablett mit meinem Frühstück auf den Tisch und verschwand. Nachdem ich mich etwas von diesem Schreck erholt hatte zog ich in Zeitlupe meine Sachen an, packte mit kraftlosem Vergnügen meinen Rucksack, sank zurück aufs Bett und schleppte mich zum Tisch um zu frühstücken. Wieder dieses Herzrasen von allerkleinsten Beanspruchungen. Um 11 Uhr konnte ich endlich nach Hause. Ein Taxifahrer holte mich sogar oben im Zimmer ab und ich betete, dass ich ihm auf dem Weg nicht abklappe, dass ich nicht doch noch im Krankenhaus bleiben muss. Ich muss wirklich kreidebleich gewesen sein, er fragte mich immer ob´s noch geht.
Endlich zu Hause. Ich wollte nur schlafen, schlafen und nochmals schlafen. Das tat ich auch. Meine Nächte fingen 19:30 Uhr an und dauerten bis um 9 Uhr am nächsten Morgen. Dann machte mir mein Mann ein Frühstück obwohl ich kaum noch etwas vertrug und war danach wieder so müde, dass ich gleich wieder im Bett verschwand. So musste ich wieder zu meiner Hausärztin gebracht werden, die sich den Arztbrief der Uniklinik betrachtete und meine Symptome auswertete und schließlich zu dem Ergebnis kam, dass ich wohl aktuell unter Pfeifferschem Drüsenfieber zu leiden hatte. Die erhöhten Leberwerte sprachen für sich, die starke Schwäche und dieses extreme Schlafbedürfnis. Nun schrieb sie mich gleich vier Wochen krank. Das dauert jetzt, meinte sie. Ich bekam dann bei ihr jede Woche eine Infusion mit Vitamin C. Das musste ich natürlich selbst bezahlen. Die Wirkung war für drei Tage ganz angenehm, ich hatte danach immer etwas mehr Kraft. Aber als der Nährstoff aufbebraucht war, quälte ich mich wieder herum. Aber eine andere Idee hatte sie nicht. Ich sollte mich schonen, viel schlafen, viel trinken und abwarten.
Mein Zustand änderte sich überhaupt nicht. Beim Einschlafen hatte ich beängstigende Atemaussetzer, die mich immer wieder hochschrecken ließen. Nachdem ich eingedöst war atmete ich einfach nicht mehr ein. Außerdem hatte ich ein eigenartiges Vibrieren unter der Haut besonders an den Armen, im Oberkörper und im Kopf. Um nicht in Panik zu geraten versuchte ich diesen Zustand anzunehmen. Es war niemand da, der mir helfen konnte, also blieb mir nichts anderes übrig als „einfach“ einzuschlafen. Manchmal hatte ich in dieser Zeit Angst früh morgens nicht mehr aufzuwachen.
Nach den vier Wochen hatte ich zwar nur noch selten Atemnot und Herzrasen, dafür immer noch meine verstopfte Nase, die immer trockener wurde sodass das Luftholen fast schmerzhaft war. Außerdem wusste ich bald wirklich nicht mehr, was ich essen konnte. Ich nahm in rasantem Tempo ab. Gemüse ging noch am allerbesten, schön weich gekocht. Aber was dazu? Alles verursachte Völlegefühl, Kopfschmerzen und teilweise Übelkeit und ich hatte das Gefühl, dass meine Verdauung absolut still stand. Nach und nach absolvierte ich alle schulmedizinischen Untersuchungen. Sonographie, Lungenröntgen (ich hatte so einen trockenen Husten), Magen-Darmspiegelung, Stuhlprobe, HNO-Untersuchung (die HNO-Ärztin war die Einzige, die einen chronischen Infekt diagnostizierte). Ich schleppte mich mit letzter Kraft zu diesen Terminen und alle anderen sagten, ich sei völlig gesund. Nach sechs Wochen Krankschreibung und Befolgen der ärztlichen Ratschläge von schonen, viel trinken, viel schlafen hatte ich das dringende Gefühl, dass ich wirklich Hilfe brauchte. Es ging weder vor noch zurück und die Symptome waren zu unerträglich, als dass ich „einfach abwarten“ konnte. Mein Körper schien in einer Patt-Situation gefangen zu sein.
Von hier an verließ ich mich nicht mehr nur allein auf den schulmedizinischen Weg und fing an nach einer anderen Lösung zu suchen…
Hallo Ulrike,
klingt für einen“fast gesunden Menschen“sehr kompliziert, kompakt und schwer nachvollziehbar, dennoch finde ich gut, das Du Deine Erfahrungen und Gefühle mitteilst.
Du bist nur stärker gegenüber Deiner Situation, wenn Du Alles weißt, versuchst zu begreifen, verstehen wäre zuviel verlangt, um dagegen halten zu können und letztendlich Dich nicht von den Beeinträchtigungen unterkriegen lässt, sondern, und das weiß ich, stärker zu sein und wieder gesund zu werden.
Ich habe im Freundeskreis ähnliche Gesundheitsfälle, welche mental total auseinander gehen, aber bei einem Freund , der definitiv, so hart wie es klingt, gesetzte Lebensfristen hat, geht es nur noch bergauf, weil er um seine Krankheit bescheid weiß. Das macht ihn wiederum stärker, so konfus es auch klingen mag, als die Krankheit, die er letzendlich in sich trägt.
Ich wiß, dass Du es schaffst.
Schön, von Dir zu lesen und Dich durch Deinen Alltag zu begleiten.
Viele liebe Grüße, Ingo.
Lieber Ingo,
Danke für Deine motivierenden Worte! Ich habe auch das Gefühl, dass ich der Gesundung um so näher komme, wenn ich alles verstehen, nachvollziehen kann, warum mein Körper wie reagiert. Ich sehe diese Krankheit inzwischen wirklich als Chance, so antstrengend und entbehrungsreich es auch oft sein mag. Meine Mentalkraft ist stark und ich bin dankbar, dass ich diese „Flamme“ in mir trage, die mir immer wieder die Motivation gibt weiter zu suchen. Meinem Mann habe ich neulich gesagt: „Ich gebe die Suche erst auf, wenn ich gesund bin…“ Die Gesundheit ist für uns alle die Grundlage. Leider bekommen wir hier in der westlichen Welt nicht beigebracht, wie wir sie selbst schützen und erhalten BEVOR wir erkranken. Das wäre mal noch ein wichtiges Schulfach!!
In diesem Sinne,
Bleib gesund und fröhlich,
Ulrike