26. Vorbereitung auf zu Hause

Langsam begriff ich, dass die Zeit hier in der Klinik nicht ausreichen würde, um mich wieder gesund zu machen. Und eine leise Ahnung beschlich mich, dass das auch noch eine ganze Weile dauern würde und besonders von mir selbst viel abverlangen würde.  Mit der schulmedizinischen Diagnose CHRONISCH wollte ich mich nicht abgeben, sondern einen Weg finden, wie man auch chronische Krankheiten überwinden kann. Alles, was ich hier in der Klinik lernen durfte, die Kräuterrezepturen, die ich ausprobieren konnte, die vielen Anstöße aus Psychotherapiesitzungen und Körpertherapien, sowie eine „Grundausstattung“ an QiGong-Übungen, und und und würden mir auf meinem Weg, den ich nach der Entlassung nun allein gehen musste, behilflich sein. Aber besonders das für mich völlig neue Wissen über das, was wir in unserer Gesellschaft unbewusst und unwillentlich falsch machten, würde bei mir viel Zeit brauchen, bis ich diese Gewohnheiten abgelegt und durch neue Verhaltens- und besonders Denkweisen ersetzen konnte. Das waren meine umfangreichen Hausaufgaben, die ich mit nach Hause nehmen wollte.

Meine letzten Tage in der Klinik verlangten noch einmal viel von mir ab. Die Kräuterrezepturen wurden verdoppelt und mein Nachmittagsdekokt passte nicht gut und ich bekam erneut einen fürchterlichen Kopfschmerzschub mit starker Übelkeit. So wurde der Nachmittagsdekokt abgesetzt und durch einen ersetzt, der mir ganz am Anfang des Aufenthaltes schon einmal sehr gut tat. Am vorletzten Tag wachte ich mit Halsschmerzen auf, hatte keinen Appetit und fröstelte vor mich hin. In der Abschlussvisite sagte nur der Chefarzt: „Sehen Sie, das ist das worauf wir hier alle warten.“ Ein Vortrag der mir besonders im Gedächtnis blieb: „Erkältung als Chance“. In diesem Vortrag wurde erklärt, was im Körper passiert, wenn wir unsere kleinen Infekte nicht auskurieren. Es gibt im Chinesischen ein Sprichwort: „Wer die kleinen Krankheiten achtet, bleibt von den großen verschont!“ Chinesisch gesehen werden ja wie bereits erwähnt Infekte auch „verdaut“. Somit werden viele Menschen krank, wenn sie eine Weile chinesische Kräuter trinken, weil sie das Verdauungs-, Immun- und Stoffwechselsystem stärken und dann kommen die z. B. durch mangelnde Ruhe unverdauten Infekte wieder an die Oberfläche und wollen diesmal restlos verarbeitet werden. Es wurde auch erläutert, dass es Schlacken im Körper gibt, die einzig nur durch den Schleim eines Infektes den Körper wieder verlassen können. Wer also keine Infekte mehr bekommt, weil das Immunsystem schon völlig aufgegeben hat, der ist nicht zu beneiden. Oftmals kommt nach zehn Jahren in denen kein reinigender Infekt mehr stattgefunden hat eine schlimme Diagnose: Krebs. Der Chefarzt der Klinik sagte mehrfach, dass die beste Krebsvorsorge zwei gesund verlaufende gut auskurierte Infekte im Jahr seien. Nach der Schnupfenphase in der die aktuelle Erkältung herausgeschneuzt wird kommt im Anschluss noch eine Schleimphase in dem Altlasten aus dem Körper geschneuzt werden können. Das funktioniert aber nur, wenn man sich so lange schont, bis die Kraft wieder vollständig zurückgekommen ist und nicht schon zu zeitig wieder aktiv wird. Die chinesischen Kräuter sollen dabei helfen zu einer gesunden, raschen und ausreichend heftigen Immunantwort zurückzufinden. Läuft ein Infekt richtig gesund ab soll man sich danach deutlich besser als vor dem Infekt fühlen.

Das war ein schönes greifbares Ziel für mich. Mein Immunsystem mit allen mir zur Verfügung stehenden Mittel so zu stärken, dass wieder ein Infekt möglich ist und Altlasten meinen Körper verlassen können. Meine Chance. Dafür wollte ich arbeiten. Alles wurde so logisch und klar in meiner Zeit in dieser Klinik. Endlich Durchblick! Auch wenn die Diagnose erst einmal ein Schock war. Aber es gab einen mir so verständlich gemachten Weg der Therapie und so unglaublich viele Dinge, die ich selbst für mich tun konnte.

Nun hatte ich dieses Infektgefühl an meinem vorletzten Vormittag. Es war das erste Mal seit meinem Ausflug nach Nienhagen zwei Jahre zuvor (!), dass ich den wieder spürte. Und es war ein schönes Gefühl, da alle anderen Symptome mit einem Mal wie weggeblasen waren. Es fühlte sich normal an und allein das war ein schönes Gefühl. Nach dem Mittagessen verschwand es allerdings wieder und ich hatte meine Chronic Fatique-Symptome wieder. Aber so konnte ich am eigenen Leib spüren, dass die Ärzte mir hier keinen Hokuspokus auftischten, sondern das Konzept funktionierte. Und das gab mir eine grenzenlose Motivation auf diesem Weg weiterzugehen.

Es würde sehr viel Zeit brauchen, bis ich zu Hause die neuen Erkenntnisse in meinen Alltag eingebaut hatte. Das fing mit der Ernährung an, über Selbstmassage, QiGong und sogar anderen Denkweisen, die ich mir angewöhnen wollte. Ich nahm also nicht nur meine dreckigen Sachen im Koffer mit nach Hause sondern auch jede Menge Hausaufgaben.

Am Beginn meines Aufenthaltes war ich ja wie beschrieben so schwach, dass ich von meinem Mann in die Klinik gefahren werden musste. Nach einem Gang von ca. 10 min um das Klinikgelände war ich total erschöpft. Am Ende meines Aufenthaltes nach vier Wochen intensiver Behandlung konnte ich eine Stunde spazieren gehen ohne, dass ich danach schlafen musste. Und was für mich ganz toll war, dass ich den Heimweg wieder allein mit dem Zug schaffte.

Am Bahnhof zu Hause lief ich meinem Mann zwar nicht gesund aber glücklich in die Arme.

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